Korrekturschleifen am Knie

Hat man mit dem Erstellen von Texten zu tun, bleiben sie nicht aus, die Korrekturschleifen. Selten führen sie dazu, dass etwas besser wird, schon gar nicht der Text oder dessen Verständlichkeit. Krethi und Plethi fühlen sich jenseits ihres jeweiligen Fachgebietes dazu berufen, sprachlich hart einzugreifen, wenn sie inhaltlich prüfen sollen.

Menschen, die ihre Muttersprache fürs tägliche Leben nutzen, gehen häufig davon aus, auch sehr gut texten zu können. So wird in der Abstimmung aus einem flüssigen Text eine dornige Stolperhalde aus Substantiv-Verkettungen, an deren verschrammtem Ende keiner mehr weiß, worum es zum blutigen Beginn des Satzes ging. Regelrecht verstricken kann man sich in diesen nachlässig hinformulierten Gebilden aus Bandwurmsätzen, Passivkonstruktionen und fehlerhaften Bezügen. Im Moment geht es mir jenseits des beruflichen Alltags in Sachen orientierungsloses Verheddern mit meinem beleidigten Knie ähnlich. Das hatte vor Monaten eine Arthroskopie und steckt seither in schwer nachzuvollziehenden Korrekturschleifen, die zu vielen Fragezeichen führen, aber nicht zur Genesung.

Hamstrings. Maltracking. Faszienlogen. Synovis. Hoffa-Fettkörper. Immerhin erweitert sich der aktive Wortschatz. Auch dank mittlerweile schillernd vielfältiger MRT-Aufnahmen unterschiedlicher Schmerzstadien für beide Kniee, garniert mit bunten Befundbegriffen. Jenseits der Bilder sagen die Kniee schon nach einer Mini-Runde um einen der Kölner Weiher „Ciao mit V, ich mach hier mal den Laden zu!“, und es ist mir ein Rätsel, wie ich noch vor nicht allzu langer Zeit Dutzende Kilometer Distanz und vierstellige Höhenmeterzahlen bewältigen konnte. Vielleicht hab ich´s geträumt oder es war in einem anderen Leben? Ich halte mittlerweile vieles für möglich.

„Medialer Kollaps“ ist auch so ein neu erlernter Begriff. Der meint gerade nicht, was passend und naheliegend wäre, dass man nämlich inmitten endloser Korrekturschleifen für Print- oder Onlinemedien einen nervlichen Zusammenbruch erleidet, nein, der meint, dass der Körper bei Belastung X-Beine gemütlich findet. Was in 48 bewegten Jahren wiederum die Knie ziemlich doof finden, vor allem bei so Sachen wie Spinning und Sportwandern.

Endlich wieder… einfach nur durch den Wald gehen, ob mit oder ohne Belastungs-X-Beine, das wäre das Größte. Endlich wieder… aufwachen, ohne dass die erste Meldung, die im Gehirn eingeht, ist: Schwellung Knie links, irgendwie blockiert, Vorsicht. Der Lieblingszustand dieses Körperteils ist auch nach Monaten noch Kühlen und Hochlegen, gelegentlicher Wechsel des Coolpacks, ansonsten bitte das Bein einfach so da liegen lassen und für den Rest des Körpers: bitte liegen bleiben. Rest in peace. Hier sind uns das Knie und ich nicht einig. Ich will raus aus diesem Zustand und rein in den Wald und rauf auf den Berg.

Die Suche nach Auswegen hat mich auch zur Traditionellen Chinesischen Medizin geführt, zu einem Akupunktur-Arzt. Ich erzähle ihm von den Knie-Eskapaden links und rechts, Ganglion, Entzündungen, Blutegel, Punktionen, OP und jetzt lost im Labyrinth des Lagerkollers und der ausbleibenden Heilung. Er schreibt sehr viel mit. Dann drückt er in meinem Bauch herum. Alles tut furchtbar weh. Die im Bauch, im Fuß und sonstwo piksenden Nadeln tun auch furchtbar weh, bei jeder zuckt der jeweilige Körperteil unkontrolliert herum. Der Arzt ist zufrieden. Ich weiß nicht, was ich bin. Meine Bewegungsblockade, dass ich nicht wie sonst in allen Lebenslagen draußen herumstiefeln und ins Grüne starren kann, versemmelt mir nicht nur meine Verfassung, sondern führt laut dem Nadelmeister auch dazu, dass in den Meridianen nix mehr fließt, wie es fließen sollte, alles verstopft, wie an einem Nach-Corona-Mittwoch auf einer beliebigen Autobahn zu Pendel-Stoßzeiten.

Die OP-Naht vom Ganglion-Schnitt, lerne ich, verläuft aus altchinesischer Sicht ungünstig: „Genau auf Ihrem Nieren-Meridian! Damit könnten Sie auch noch Probleme bekommen.“ Bitte nicht! Ich hoffe, mein Nieren-Meridian ist nachsichtig und kann angesichts der ihn bereits umgebenden Komplikationen Gnade walten lassen. Was wäre auch die Alternative? Künftig vor einer geplanten OP den vom Chirurgen mit schwarzem Edding vorgezeichneten Schnittverlauf dem Nadelarzt zeigen? Und der malt dann mit rotem Edding seinen nach Meridianen idealen Schnitt daneben? Korrekturschleifen am Knie. Wir sind wohl noch nicht am Ende.

Ja, und man wollte da nie hin…