Fail in Love

Eine Veranstaltungsreihe, bei der es um das Scheitern in der Liebe geht? Genau mein Ding. Beziehungsbilanz mit Ende 40: über Jahrzehnte nichts von Dauer, aber riesige Dramen; das Einzige von Dauer, die wirklich große Liebe, nach nahezu zehn Jahren Ehe gecrasht, noch mehr Drama; seither Irren und Wirren im Versuch, es irgendwie ohne Tinder & Co. zu schaffen mit dem Zwischenmenschlichen. Also nichts wie hin, zur Kölner Fail in Love Night!

Zwischenzeitlich war ich zweimal da. Und war jeweils eine von den Ältesten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Um kollektiv über zerstörte Zwischenmenschlichkeiten und emotionale Scheiter- und Scherbenhaufen zu sinnieren, dachte ich, müsse man halbwegs im mittleren Lebensalter angekommen sein, mit ausreichend Material im Rückspiegel des Lebens. Weit gefehlt. Das Publikum ist in den Zwanzigern, ein paar auch in den Dreißigern, darüber hinaus wird es dünn, so dünn wie die Kopfbehaarung der meisten Männer in diesem Alter, die ich daran auch sofort als mindestens gleichaltrig erkenne. Meine Altersklasse ist als Audience eher zurückhaltend. Die jungen Menschen nicht. „Ich feel das komplett, das ist so deep“, „Ich relate total mit deiner Story“, „absolut relatable, was du erlebt hast“. Und es gibt viel Dank und nices Feedback an die Beitragenden auf der Bühne, dafür, sich getraut zu haben, ihre persönlichen Geschichten öffentlich zu erzählen. Da ist meine Generation eher so: „Ich hab Eintritt bezahlt, also bekomme ich auch was geboten. Normal. Leg los, ich nippe so lange am Weißwein und gucke interessiert.“

Der Ablauf der Fail in Love Nights folgt einem festen Schema: Zwei Personen berichten nacheinander über ihre individuelle gescheiterte Liebe und ziehen Bilanz, was sie daraus gelernt haben und was sie dem Publikum mit auf den Weg geben können. Dann folgt ein Comedy-Part, und das Kleeblatt komplett macht ein Beitrag einer auf Paar-, Sexual-, Beziehungs- etc. -Therapie spezialisierten Person.

Die Atmosphäre, die Stimmung, die Ausrichtung können sehr unterschiedlich ausfallen – je nachdem, in welche Kerbe die Beiträge schlagen. Bei meinem ersten Besuch war alles im positiven Sinne aufgeladen – eine Sextherapeutin und eine Drag Queen sorgten für die entsprechenden Vibes. Die Story einer Beitragenden über ihren verstorbenen Hund und dessen störrischen Nachfolger wirkte im Kontext etwas verstörend, immerhin hat das Dog-Drama aber zu einer Trennung unter Zweibeinern und zur Selbstverwirklichung im Beruf – von der Personalerin zur Hundetrainerin – geführt, und so wurde doch noch irgendwie ein „Fail in Love“-Schuh mit Learning-Einlegesohle draus.

Die Drag Queen ist älter als ich, in den Fünfzigern geschätzt, ungefähr dreimal so groß wie ich – ich stand am Eingang vor ihr und hatte das Gefühl, einen Dolomiten-Dreitausender im Rücken zu haben – und erzählt eine Geschichte aus ihrer Zeit Anfang zwanzig. Verstehe ich zunächst nicht, später schon – passt zum Publikum. Die beiden Jungs Anfang zwanzig, mit denen ich nach der Veranstaltung am Parkhausautomaten ins Gespräch komme, fanden die Story der Drag Queen am besten bzw. „deep“ und „most relatable“. Dass ich die Sextherapeutin am interessantesten fand, lässt sie ratlos zurück. Mit der habe man nicht connecten können. Einig sind wir uns darüber, dass diese Hundeliebe mit Happy End irgendwie nicht so recht dazwischen passte. Sie erzählen mir noch, dass sie es Scheiße finden, dass die Leute in meiner Generation über ihre dächten, sie würden alle nicht arbeiten wollen und nur Work-Life-Balance machen. „Wir arbeiten beide. Richtig hart. Richtig viele Wochenstunden, Spätschichten, Nachtschichten, Wochenende. Wir wollen Karriere machen und hauen richtig rein. Und hören überall nur, ihr leistet doch eh nix.“ Ja, da haben sie wohl einen Punkt. Wir verabreden uns für die nächste Fail in Love Night.

Zu der nehme ich einen Mann mit. Und versuche bei der Gelegenheit einmal mehr, unseren Beziehungsstatus zu klären. Ergebnis: Es ist kompliziert. „Freundschaft plus“, sagt er. Ist es Freundschaft plus, wenn man sich gegenseitig vermisst, nacheinander sehnt, sowas wie totale Ekstase zusammen erlebt, ganz ohne Drugs & Rock´n´Roll, nur eben mit Sex? Sich so tief in die Augen schaut, als ergründe man den Boden der Tiefsee, noch unterhalb dieser hässlichen Lampenfische, und dort so vieles findet? Für mich nicht. Für ihn vielleicht auch nicht, aber er sagt halt, „Freundschaft plus“. Vielleicht ist es auch für Männer wirklich so und für mich halt nicht. Ich denke bei mir, „Ihr Typen seid alle blöde, hässliche Lampenfische“, wickle mich tiefer in seine und meine Jacke ein, die ich beide brauche, weil mir so kalt ist und jetzt noch ein bisschen kälter. Ich halte Ausschau nach den beiden Twens vom Parkhausautomaten, entdecke sie aber nicht. Es hätte mich interessiert, was sie zu den Beiträgen an diesem Abend gesagt hätten.

Es erzählt ein bärtiger Abenteurer mit Männerdutt von einer Beziehung, die als virtuelle während seiner Weltreise begann, die Frau hat ihn über einen langen Zeitraum durch die Kontinente begleitet, ohne dass sie sich je persönlich begegnet wären – das fand nach seiner Rückkehr statt. Sie kamen zusammen, zack, waren sie auch schon wieder auseinander. Heute sind sie unter ungeklärten Umständen befreundet, so ganz auf- und ausgeräumt schien das alles nicht, zahlreiche Nachfragen aus dem wieder connectenden und relatenden Publikum sprachen dafür, dass die andere Altersklasse diese Empfindung teilte. Eine junge Frau nimmt uns mit in das klebrige Netz aus Verstrickungen, das ein manipulativer, narzisstischer Mann in ihr Leben gespannt hatte und sie abhängig, gefügig, willenlos machte, sie emotional gebrochen hat. Sie kämpft sich jetzt zurück ins Leben. Nach diesem Downer hat auch die folgende Comedienne kaum eine Chance, die Stimmung zu drehen. Der Schlussakt mit der Therapeutin führt über Eifersucht zu Verletzungen von der Kindheit bis heute und der abschließenden Äußerung eines Mannes meines Alters: „Boah, ich war jetzt irgendwie die ganze Zeit wieder der verletzte Teenager mit 15. Können wir nächstes Mal einfach wieder über Sex reden!“ Sehr gute Idee.

https://www.failinlovenights.de/

Dramen, nichts als Dramen. Skulptur aus dem Bode-Museum Berlin