Sehr selten stürzen der Mann und ich uns ins samstägliche Shoppinggewimmel in der Bonner Innenstadt. Ist einfach zu voll und zu anstrengend. Aber zu Sale-Zeiten siegt manchmal das Schnäppchenfieber, und so fanden wir uns eines Sommers im Getümmel stromernd von einer Menschentraube vor dem mexx-Store angezogen. Was es da wohl Tolles gibt? Eine Taube! Live und lebendig flatternd im Schaufenster! Allerdings nicht als dressierter Vertriebsverstärker oder Taubenzüchter-Verein-Werbeträger, sondern als hilflos verirrte und verwirrte gemeine Stadttaube. Die nun im Schaufenster zwischen den Puppen hin und her flatterte, bei der einen auf dem Kopf, bei der anderen auf der Schulter landete und dazwischen erschöpft Pause auf dem Boden machte. Kinder patschten jauchzend an die Scheibe, um das flatternde Viech weiter anzustacheln. Der Mann fasste sich ein Herz und ging in den Laden, um die Taube zu retten. Jetzt mögen wir beide diese versifften Stadttauben nicht besonders, aber quälen muss man sie ja auch nicht. Drinnen: überforderte Studentinnen, auf Nachfrage das einzige Personal an diesem trubeligen Samstagnachmittag (wäre es nicht ein Leichtes, bei dieser Besetzung beruflich samstags mexx-Stores auszurauben?), eine davon mit roten Wangen, glänzenden Augen und aufgelöstem Haar wie Wesen verzweifelt zur Rettung der Taube im Einsatz. Mit einem Wischmopp. Der Mann fragt, ob es nicht eine Decke gäbe, ein großes Tuch, irgendwas, das man über die Taube werfen kann. Große Augen bei der Studentin. Irgendwoher organisiert sie eine Decke, weitere Studentinnen sind plötzlich an der Fangaktion beteiligt. Die Taube wechselt das Schaufenster. Für die Außenstehenden taucht neu im Schaufenster-Spektakel auf: Mann mit Decke. Mann wirft Decke über Taube. Trägt Taube in Decke nach draußen. Enttäuschte Kinder. Drinnen steht plötzlich eine ehemalige Kollegin vor mir. So ein Zufall! Sie hat eine Hose in der Hand. Will sie die kaufen? Nein, das war die falsche Größe, und die beratende Studentin wollte eigentlich die andere Größe holen, kam dann aber nicht mehr zurück – „die hat was von einer Taube gesagt? Dass sie eine Taube fangen will?!“ Ich kann zur Erhellung beitragen, zumal in diesem Moment der Mann mit der Decke wieder in den Laden kommt. Darf ich vorstellen? Marco, der Taubenretter!
| Entspannt auf dem Tisch statt gestresst im Schaufenster: Diese Taube genießt la dolce vita in der italienischen Kleinstadt Frascati. |
Viel zu Fuß und immer mit offenen Augen unterwegs ist die Frau aus dem Melandertal. Wenn sie es schafft, den Dingen ein Augenzwinkern abzugewinnen, teilt sie ihre Eindrücke, Gedanken sowie Wander- und sonstigen Aktivitäten in diesem Blog.